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Das Wunder von Lilongwe



Eines der ärmsten Länder Afrikas produziert seit

Jahren Nahrungsüberschüsse und ruft sich zum Modell für

den Kontinent aus. Doch der Erfolg kostet Geld.

Saftig und grün sind die Felder, durch die sich der Präsident gern kutschieren lässt, hoch steht der Mais, der Tabak gedeiht, die Erntezeit für die Wurzelknolle Maniok ist angebrochen. Es hat viel geregnet in Malawi, der Präsident ist zufrieden mit sich und seinen Bauern.

Vor einem Jahr hat Bingu wa Mutharika, 76, zum zweiten Mal die Präsidentenwahl gewonnen. Die Abstimmung war sehr demokratisch für afrikanische Verhältnisse. Dass der Staatschef die Medien knebelt, dass die Korruption blüht, nichts davon trübt im Augenblick das Bild des Herrschers.

Denn Mutharika kann eine stolze Bilanz vorweisen: Noch 2005 starben in Malawi nach monatelanger Dürre viele Menschen an Hunger und Unterernährung. Etwa die Hälfte seiner Lebensmittel musste das Land importieren, 40 Prozent der Bevölkerung waren auf ausländische Hilfe angewiesen. Heute verhungert niemand mehr in Malawi, und die Farmer produzieren Überschüsse. Seit drei Jahren schon, Millionen von Tonnen. Auch für 2010 wird ein ordentliches Ergebnis erwartet.

Eine Erfolgsgeschichte, sagen Diplomaten, Politiker und Experten von Hilfsorganisationen in der Hauptstadt Lilongwe. Vom „Malawian Miracle“ ist die Rede, vom malawischen Wunder, und die Welternährungsorganisation FAO verlieh Mutharika 2008 den höchsten Orden, den sie zu vergeben hat. Schon versucht eine Reihe afrikanischer Länder, das Wunder zu kopieren. Doch ist das Modell Malawi wirklich exportierbar?

Der südostafrikanische Kleinstaat ist etwa so groß wie die frühere DDR. Er hat fast 15 Millionen Einwohner, kaum

Bodenschätze, keinen Zugang zum Meer, Malawi ist ein Land der Bauern, der sanften Hügel und verstreuten Dörfer. Selbst die Hauptstadt erinnert eher an ein großgeratenes Dorf als an eine Metropole.

Etwa 90 Prozent der Menschen bearbeiten ein eigenes Stück Scholle, auch der Präsident hält sich eine Farm. Die Kleinbauern erwirtschaften 75 Prozent der Landwirtschaftsproduktion und 80 Prozent der Exporteinnahmen. Dass Malawi die Wende vom Elendskandidaten zum Nahrungsmittelexporteur geschafft hat, vereint die Bewohner und den Präsidenten in ihrem Stolz.

Das vermeintliche Wunder begann im Jahr 2005. Mutharika war einige Monate zuvor zum ersten Mal Präsident geworden. Vier Jahre lang hatte es keine richtigen Ernten mehr gegeben. Die Situation verschärfte sich zusätzlich, weil Malawi – nicht zuletzt auf Anraten des Weltwährungsfonds – seine Maisreserven verkauft hatte.

Hunger kam über das Land. Doch Mutharika verkündete grimmig: „Solange ich Präsident bin, will ich nicht in andere Hauptstädte fahren, um dort um Essen zu betteln.“

Er legte ein Förderprogramm auf, das den Preis für einen Sack Dünger von damals 6500 Kwacha (33 Euro) auf 900 Kwacha (5 Euro) drückte und den für das Zwei-Kilo-Paket Saatgut von 600 auf 30 Kwacha.

Die staatlich gestützte Verteilung von Dünger widersprach zwar den Vorgaben von Weltbank und Internationalem Währungsfonds. Doch die Nöte seiner Landsleute waren dem Präsidenten wichtiger als die Prinzipien der Bankexperten. Und unterstützen denn nicht auch Europäer und Amerikaner ihre Bauern mit Milliardensubventionen?

Der Erfolg gab Mutharika recht: Innerhalb von zwei Jahren stieg die Produktion um fast 200 Prozent. Der lokale Handel kam wieder in Schwung, das Transportgewerbe hatte Arbeit, Straßen wurden gebaut, die Inflation sank – und Hungertote gab es auch nicht mehr.

Die internationalen Medien begannen neugierig nach Malawi zu schauen. Weil es nach einer der wenigen guten Nachrichten aussah. Weil es an die Geschichte von David und Goliath erinnerte, den Kampf des kleinen Malawi, das sich gegen die übermächtigen Institutionen Währungsfonds und Weltbank aufgelehnt hat. Und weil David in diesem Fall Erfolg hatte. Vorläufig jedenfalls.

So loben bis heute alle das Programm, von den kleinen Bauern bis zu den Spitzen der Regierung. Und damit loben alle immer auch ein bisschen sich selbst. „Die Erträge sind wirklich besser“, sagt Zebinati Chisomba, 53, die auf einer kleinen Parzelle in Kalulu Village nahe der Hauptstadt Lilongwe Kartoffeln, Bohnen, vor allem aber Mais anpflanzt. Tisch und Stühle gibt es nicht bei Zebinati Chisomba, sie bittet zum Gespräch auf die Stufen ihrer Lehmhütte.

Seit acht Jahren ist sie verwitwet und muss ihre vier Kinder allein durchbringen. Seit drei Jahren bekommt sie billigen Dünger, den sie allerdings mit Nachbarn teilen muss.

So wollen es die Anführer im Dorf Kalulu, um Unruhen innerhalb der Dorfgemeinschaft zu vermeiden. „Früher habe ich zwei Ochsenkarren Mais pro Jahr geerntet, jetzt sind es vier“, sagt Chisomba. Ein Drittel davon braucht sie für den Eigenbedarf, den Rest verkauft sie auf dem Markt.

„Nein, die guten Ernten sind kein Wunder“, sagt der Ökonom Andrew Kumba-tira, 43, der von seinem Büro in Lilongwe aus ein Netzwerk verschiedener Nichtregierungsorganisationen koordiniert. „Fürs Erste ist die Sache ein Erfolg.“

Kumbatira hat unter anderem in Australien studiert und ist vor kurzem in den Beraterkreis des Präsidenten berufen worden. „Wir reden nicht mehr über Hunger, die Inflation ist gestoppt, und überhaupt hat das Programm die ganze Ökonomie stabilisiert.“

Doch wenn die Lobeshymnen erst einmal verklungen sind, werden Ökonomen wie Bauern nachdenklicher, es mischen sich kritische Töne ins Gespräch.

Auch Zebinati Chisomba hat leise Zweifel. „Früher kamen Experten, die uns geschult haben, heute kommen sie nicht mehr. Früher bekamen wir Kredite, um zu investieren, jetzt ist das vorbei.“

So gut die Ernten der vergangenen Jahre gewesen sein mögen – an den Grundübeln der malawischen Landwirtschaft hat sich wenig geändert: wenig Wissen, keine Investitionskredite, kaum Bewässerungswirtschaft.

Der Durchschnittsertrag in Malawi ist mit dem Düngerprogramm zwar von 600 Kilo Mais pro Hektar auf 1,6 Tonnen gestiegen. Das ist nicht schlecht, doch mit moderneren Anbaumethoden und Bewässerungsanlagen, mit größeren Flächeneinheiten wären leicht drei- bis viermal so hohe Erträge zu erzielen.

„Wir geben enorm viel Geld für Dünger und Saatgut aus“, sagt Ökonom Kumbatira, „aber wir vernachlässigen den Rest der Landwirtschaft.“ Die Viehzucht müsste gefördert werden, Bewässerungskanäle ausgebaut und Landmaschinen gekauft.

Das Unterstützungsprogramm sei anfällig für Korruption, es gebe einen flo­rierenden Schwarzmarkt für die Dünger-Gutscheine, und die Verteilung sorge in vielen Dorfgemeinschaften immer wieder für Streit. Vor allem aber: „Es ist vielleicht ein Programm gegen den Hunger, nicht aber gegen Armut und für die Entwicklung des Landes.“ Und dann springt er auf hinter seinem Schreibtisch: „Dabei ist Bildung doch der Schlüssel. In die Bildung müssen wir investieren!“

Auch der selbstbewusste Chef der Bauerngewerkschaften, Prince Kapondamgaga, hinterfragt das Wunder von Malawi. Gewiss, die Regierung habe mutig gehandelt, das Programm sei auch durchaus sinnvoll. „Wir hatten jetzt aber auch drei Jahre gute Niederschläge“, sagt er. „Ohne den Regen wären wir niemals so erfolgreich gewesen.“

Das Programm sei eine Art Sozialfürsorge für die Ärmsten gewesen. Nun aber müsse die Regierung allmählich umsteuern, damit der Aufschwung in der Landwirtschaft anhalte und nicht verpuffe. „Eine langfristige Strategie ist noch nicht erkennbar“, sagt der Bauernchef.

Selbst Finanzminister Ken Kandodo denkt so ähnlich. Das Programm sprengt sein Budget jedes Jahr aufs Neue – und verhindert so nachhaltiges Wachstum.

Weltweit explodierten 2008 die Düngerpreise. 58 Millionen Dollar bezahlte Kandodo noch 2006, an die 260 Millionen Dollar, fünfmal so viel, hat er im vergangenen Jahr für die Landwirtschaft ausgegeben, einen Großteil davon für Dünger. Das ist sehr viel für einen Haushalt von nur 1,6 Milliarden Dollar.

Zum Vergleich: Für Bildung und Hochschulen oder den gesamten Gesundheitssektor stehen in Malawi nur jeweils knapp 300 Millionen Dollar zur Verfügung. Die Düngerhilfe kostete Malawi so viele Devisen, dass der Treibstoff im Land knapp wurde.

In dieser Klemme zwischen explodierenden Kosten und den hohen Ansprüchen der Kleinfarmer steckt Kandodo nun. Aber welcher Finanzminister beendet schon gern ein Programm, das dem Präsidenten Ruhm und Ehre einbringt, im Land populär ist und international für Renommee sorgt?

„Wir geben einfach zu viel Geld aus“, sagt er. Und je mehr die Regierung in Dünger investiere, „desto weniger haben wir für Schulen, Straßen und Krankenhäuser.“ Malawi habe vielfach Nachholbedarf, „wir können uns nicht nur auf einen einzigen Sektor konzentrieren“. Kandodo fordert: „Spätestens in zehn Jahren müssen wir raus aus dem Programm.“

Es klingt, als ob er nichts dagegen hätte, den Ausstieg schon viel früher zu wagen.

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Äàòà ïóáëèêîâàíèÿ: 2014-11-02; Ïðî÷èòàíî: 357 | Íàðóøåíèå àâòîðñêîãî ïðàâà ñòðàíèöû | Ìû ïîìîæåì â íàïèñàíèè âàøåé ðàáîòû!



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